Ad Hominem. Das Bild zeigt einen Mann an einem Rednerpult und dutzende Finger, die auf ihn zeigen.

Spinning Sunday – Ausgabe 4: Ad Hominem

Spinning Sunday

Ad Hominem: Wenn der Angriff auf die Person das Argument ersetzt

Propagandatechniken erkennen und entlarven. Ein medienwissenschaftlicher Blog von Dr. Christian Hardinghaus.

Allgemeine Einleitung des Autors

Propaganda ist die Manipulation von Massen mittels Medien. In dieser Serie tauchen wir tief in die Mechanismen der Beeinflussung ein, um zu verstehen, wie unsere Wahrnehmung geformt wird und wie wir uns davor schützen können. Jeder Beitrag beleuchtet eine spezifische Technik, ihre Funktionsweise und praktische Wege zur Entlarvung.

Propagandatechnik

Ad Hominem (lateinisch für „gegen die Person“) ist eine der ältesten und zugleich häufigsten Manipulationstechniken in der öffentlichen Kommunikation. Diese Methode lenkt bewusst von sachlichen Argumenten ab, indem sie die Person des Sprechers, dessen Charakter, Vergangenheit oder persönliche Eigenschaften angreift, anstatt sich mit den vorgebrachten Inhalten auseinanderzusetzen. In der modernen Medienlandschaft hat sich Ad Hominem zu einer systematischen Strategie entwickelt, um unliebsame Meinungen zu diskreditieren und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Die psychologische Wirksamkeit von Ad Hominem-Attacken beruht auf der menschlichen Tendenz, Botschaften und deren Überbringer miteinander zu verknüpfen. Wenn eine Person erfolgreich diskreditiert wird, werden automatisch auch ihre Argumente als weniger glaubwürdig wahrgenommen, selbst wenn diese sachlich korrekt sind. Diese Technik nutzt kognitive Verzerrungen wie den Halo-Effekt aus, bei dem die Bewertung einer Person auf alle ihre Aussagen übertragen wird. Medien setzen Ad Hominem gezielt ein, um komplexe Debatten zu vereinfachen und das Publikum emotional zu manipulieren, anstatt eine sachliche Auseinandersetzung zu fördern.

Ad Hominem: Eine Argumentationstechnik, die von sachlichen Inhalten ablenkt, indem sie die Person des Sprechers angreift, diskreditiert oder deren Glaubwürdigkeit in Frage stellt, anstatt sich mit den vorgebrachten Argumenten auseinanderzusetzen.

Ad Hominem manifestiert sich in verschiedenen Varianten: Der direkte persönliche Angriff zielt auf Charakter oder Verhalten ab, der Umstände-Angriff (Ad Hominem Circumstantial) unterstellt Eigeninteressen oder Voreingenommenheit, und der Tu-Quoque-Angriff („Du auch!“) wirft dem Gegenüber Heuchelei vor. In den Medien werden diese Techniken oft subtil eingesetzt, etwa durch die Betonung irrelevanter biografischer Details, die Verwendung abwertender Bezeichnungen oder die Fokussierung auf persönliche Schwächen anstatt auf die Sachargumente.

Die Erkennung von Ad Hominem-Attacken erfordert die bewusste Trennung zwischen Person und Argument. Kritische Medienkompetenz bedeutet zu fragen: „Wird hier die Sache diskutiert oder die Person angegriffen?“ Selbst wenn persönliche Kritik berechtigt sein mag, macht sie sachliche Argumente nicht automatisch falsch. Eine demokratische Diskussionskultur erfordert die Fähigkeit, zwischen der Bewertung von Personen und der Bewertung ihrer Argumente zu unterscheiden.

Anwendungsbeispiele

Die folgenden Beispiele sind bewusst fiktiv gewählt, um die Mechanismen zu verdeutlichen, ohne reale Personen oder Ereignisse zu diskreditieren:

Beispiel 1 – Politische Debatte: Ein fiktiver Politiker schlägt eine Steuerreform vor. Anstatt die konkreten Vorschläge zu diskutieren, konzentrieren sich Medienberichte auf seine luxuriöse Lebensweise und bezeichnen ihn als „abgehobenen Elitenpolitiker“. Die sachlichen Inhalte der Reform werden dadurch in den Hintergrund gedrängt, und die öffentliche Diskussion fokussiert sich auf seine Person statt auf die politischen Inhalte.

Beispiel 2 – Wissenschaftliche Debatte: Eine fiktive Wissenschaftlerin veröffentlicht eine Studie zu einem kontroversen Thema. Statt ihre Methodik oder Ergebnisse zu hinterfragen, wird in den Medien ihre frühere Verbindung zu einer bestimmten Organisation hervorgehoben und unterstellt, sie sei „voreingenommen“ oder „nicht objektiv“. Dadurch wird die wissenschaftliche Diskussion über ihre Forschungsergebnisse vermieden.

Beispiel 3 – Gesellschaftliche Kritik: Ein fiktiver Aktivist kritisiert bestimmte gesellschaftliche Missstände. Anstatt seine Argumente zu widerlegen, wird er als „Querulant“, „Störenfried“ oder „Extremist“ bezeichnet. Seine persönliche Geschichte wird durchleuchtet, um Angriffspunkte zu finden, während die von ihm aufgeworfenen Probleme nicht sachlich diskutiert werden.

Beispiel 4 – Wirtschaftsdebatte: Eine fiktive Ökonomin warnt vor bestimmten wirtschaftlichen Entwicklungen. Statt ihre Analysen zu prüfen, wird sie als „Pessimistin“ oder „Schwarzseherin“ dargestellt. Ihre akademische Laufbahn wird hinterfragt, und es wird angedeutet, sie habe persönliche Motive für ihre Warnungen, wodurch die sachliche Auseinandersetzung mit ihren wirtschaftlichen Prognosen vermieden wird.

Beispiel 5 – Medienberichterstattung: Ein fiktiver Journalist deckt einen Skandal auf. Anstatt die aufgedeckten Fakten zu überprüfen, wird seine Vergangenheit durchleuchtet, seine Motivation hinterfragt und er als „sensationslüstern“ oder „unzuverlässig“ dargestellt. Die eigentlichen Inhalte seiner Recherche werden dadurch diskreditiert, ohne dass eine sachliche Prüfung stattfindet.

Weiterführende Literatur

Kriegspropaganda und Medienmanipulation

Hardinghaus, Christian: „Kriegspropaganda und Medienmanipulation. Was Sie wissen sollten, um sich nicht täuschen zu lassen.“

Weiterführende Informationen

  • Walton, Douglas N. (1998): Ad Hominem Arguments. University of Alabama Press.
  • Tindale, Christopher W. (2007): Fallacies and Argument Appraisal. Cambridge University Press.
  • Woods, John & Walton, Douglas (1989): Fallacies: Selected Papers 1972-1982. De Gruyter Mouton.
  • Hamblin, Charles L. (1970): Fallacies. Methuen & Co Ltd.
  • Van Eemeren, Frans H. & Grootendorst, Rob (2004): A Systematic Theory of Argumentation. Cambridge University Press.
  • Aristoteles: Sophistici Elenchi (Über die sophistischen Widerlegungen). Klassische Quelle zu Argumentationsfehlern.

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