Buchpremiere "Die Buchhändlerin von Königsberg" im Künstlerhof Schreyahn

Eine Lesung zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Mit großer Freude durfte ich am 26. April 2025 meinen neuen Roman „Die Buchhändlerin von Königsberg“ (Jetzt im Piper Verlag erschienen) in der Niedersächsischen Stipendiatenstätte Künstlerhof Schreyahn präsentieren. Es war für mich ein ganz besonderes Ereignis, an diesen inspirierenden Ort zurückzukehren, an dem ich bereits zum zweiten Mal zu Gast sein durfte.

Ein Abend voller Geschichten, Erinnerungen und bedeutender Gespräche

Die Veranstaltung war bis auf den letzten Platz gefüllt – alle 50 Stühle besetzt. Britta Gansebohm, Gründerin des ersten öffentlichen Literatursalons, moderierte den Abend hervorragend und führte sehr einfühlsam durch die Lesung und das anschließende Gespräch. Neben dem Ambiente in der Diele im Haupthaus war der Sound phänomenal.

Als besonderes Highlight wurden selbstgemachte Schmalzbrote gereicht – genau wie sie Frieda und Lotti, die beiden Freundinnen in meinem Roman, in ihrer Zeit in Königsberg zu genießen pflegten. Diese authentische Kleinigkeit schuf eine atmosphärische Verbindung zur Romanwelt und berührte besonders jene Gäste, deren Eltern und Verwandte einst in Ostpreußen gelebt hatten.

Zwischen den zwei langen Leseabschnitten entwickelte sich eine tiefgründige Diskussion über Ostpreußen, Königsberg und die damit verbundene Flucht und Vertreibung. Gemeinsam sprachen wir über die Tragödie einer Stadt, die vollständig ausgelöscht wurde, und formulierten ein kollektives Bekenntnis zum Frieden – besonders angesichts der Tatsache, dass Königsberg als heutiges Kaliningrad erneut in einem geopolitisch umkämpften Gebiet liegt. und die Zukunft der so schwer getroffenen Stadt ungewiss erscheint.

„Die Buchhändlerin von Königsberg“ – zwischen historischer Rekonstruktion und menschlichem Schicksal

Mein Roman „Die Buchhändlerin von Königsberg“ erzählt die Geschichte von Frieda, einer leidenschaftlichen Buchhändlerin, deren Leben durch den Zweiten Weltkrieg erschüttert wird. Während der erste Teil des Romans das kulturelle Königsberg der Vorkriegszeit zum Leben erweckt, zeigt er gleichzeitig, wie die nationalsozialistische Ideologie zunehmend Bürger der Stadt erfasst oder sie kaltstellt.

Frieda und ihre mutigen Kollegen finden Wege, um „verbotene Bücher“ weiterhin anbieten zu können und setzen sich damit schon vor Kriegsbeginn in der ostpreußischen Hauptstadt einer großen Gefahr aus. Der Roman zeigt eindrücklich die Schönheit und Kultur, die Königsberg zu bieten hatte – eine Stadt mit fast siebenhundertjähriger Geschichte, die als kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Ostpreußens fungierte.

Der zweite Teil des Romans behandelt die schwere Zeit nach den verheerenden Luftangriffen und während der sowjetischen Besatzung. Frieda betätigt sich als Hilfskrankenschwester in den Ruinen eines deutschen Krankenhauses und tut, was sie am besten kann: Sie liest den Menschen aus Büchern vor oder erzählt selbst ausgedachte Geschichten, besonders den Kindern auf der Station. So flüchtet sie sich selbst hungernd in eine Scheinwelt, in der Königsberg bald wieder erblüht und auch ihr Verlobter Hans heil von der Front zurückkehrt.

Königsberg – Chronik einer Zerstörung

Königsberg war bis in den August 1944 eine „Oase der Ruhe“, die der Krieg nicht erreicht hatte. Die Menschen fühlten sich sicher, niemand dachte daran, dass Bomben auf die Stadt fallen würden. Doch zwei Angriffe der britischen Luftwaffe Ende August 1944 zerstörten die gesamte Altstadt und vernichteten unvergleichbare Kulturgüter. Etwa 5.000 Menschen starben, 200.000 wurden obdachlos – doch dies war nur der Beginn einer noch größeren Katastrophe.

Von den Nazis an der Flucht gehindert, harrten beim Einmarsch der Sowjetarmee im April 1945 noch etwa 120.000 Zivilisten in Königsberg aus, größtenteils Frauen und Kinder. In den ersten Tagen wurde die Stadt zur Plünderung freigegeben. Die deutsche Bevölkerung wurde kaum versorgt. In der Folge starben innerhalb von anderthalb Jahren etwa 100.000 Deutsche in Königsberg – sie verhungerten oder starben an Krankheiten.

Die Schlacht um Königsberg vom 6. bis 9. April 1945 führte zur vollständigen Eroberung der Stadt durch die sowjetischen Truppen. Nach der Eroberung wurde das nördliche Ostpreußen mit Königsberg von der Sowjetunion in Besitz genommen und die verbliebene deutsche Zivilbevölkerung bis 1948 zwangsweise umgesiedelt. Schon 1946 bekam die Stadt den Namen eines Stalin-Getreuen – Kalenin. Mit den deutschen sollte die gesamte deutsche Kultur und Geschichte verschwinden.

Ein Abend der Begegnung und des Gedenkens

Der Abend im Künstlerhof Schreyahn wurde zu einem Ort der Begegnung zwischen Geschichte und Gegenwart, zwischen literarischer Rekonstruktion und persönlicher Erinnerung. Die philosophischen Gespräche in diesem schmucken Dorf, das Wiedersehen mit vielen Bekannten und der intensive Austausch mit dem Publikum machten diesen Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis. Wie beim letzten Mal habe ich die kritische und offene Diskussion sehr geschätzt. So habe ich gemerkt, dass ich nicht alleine mit dem Standpunkt dastehe, dass es ein unfassbares Versäumnis deutscher Politik ist, sich nicht für den Erhalt der ostpreußischen Kultur starkgemacht zu haben. Königsberg, Geburtsstadt von Immanuel Kant und E. T. A. Hoffmann hätte eine angemessene Erinnerung verdient gehabt.

Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Gästen bedanken, besonders bei jenen, deren Eltern und Verwandte in Königsberg und Ostpreußen gelebt haben. Ihre Anwesenheit und ihr Interesse an meinem Versuch, das historische Königsberg wieder aufleben zu lassen, ehren mich zutiefst. In „Die Buchhändlerin von Königsberg“ zeige ich, wie Literatur auch in dunkelsten Zeiten Hoffnung spenden kann – eine Botschaft, die heute vielleicht aktueller ist denn je.

Der Künstlerhof Schreyahn – ein Ort der Kreativität im idyllischen Rundlingsdorf

Der Künstlerhof befindet sich im malerischen Rundlingsdorf Schreyahn, etwa acht Kilometer südwestlich der Kreisstadt Lüchow im Wendland gelegen. Wer durch die schmale Einfahrt in das Dorf kommt, wird sofort von seinem Charme eingenommen: Knorrige Eichen mit einer Milchbank darunter bilden auf dem charakteristischen Dorfplatz den Mittelpunkt, umgeben von teilweise denkmalgeschützten Fachwerkhäusern, die mit dem Giebel zur Mitte angeordnet sind.

Seit seiner Gründung im Jahre 1979 bietet Schreyahn Schriftstellern und Komponisten die Möglichkeit für mehrmonatige Stipendiendienaufenthalte. Das Haupthaus, ein niederdeutsches Hallenhaus, wurde 1981 fertiggestellt, und bereits im Mai desselben Jahres zogen die ersten Künstler ein. Ich habe dort selbst mehrere Tage übernachtet und dort herrscht absolute Ruhe, die Klapperstörche ausgenommen.

Die Niedersächsische Stipendiatenstätte Künstlerhof Schreyahn mit ihrem besonderen Ambiente bot den perfekten Rahmen für diese Buchpremiere – ein Ort, an dem Literatur gelebt und gefeiert wird. Ich freue mich darauf, bald wieder zurückzukehren. Themen sind bereits in Planung.

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